Zurück zur Natur
- At Oktober 14, 2023
- By kdw
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Es ist ein feuchtkalter Junimorgen.
Ich bin allein
mit den Vögeln
und Bäumen
und denke
daß es
vor 500 Jahren
hier auch nicht viel anders
gewesen sein kann.
Irgendwo schreit eine Krähe
und hundert Meter vor mir
hoppelt ein Hase
bedächtig schüchtern
über den Weg.
Ich spüre das Leben
und trotzdem –
es hat sich etwas
verändert.
Man sieht es nicht,
der Mantel des Todes
ist unsichtbar.
Die Wunden der Zivilisation
bedrücken mich seltsam.
Sie sind überall,
auch in mir
und sie
schmerzen mich,
umsomehr daß
andere
die selben Wunden tragen,
sie aber nicht spüren.
Gefühle sind verkümmert,
verhärtet zu starren Formen.
Meine Suche nach
offenkundiger Sensibilität
scheint ein trübseliges Unterfangen.
Diejenigen haben den Kampf
gegen den Tod
der Gefühle und des Bewußtseins
der uns umgibt
und der von uns selbst ausgeht
aufgegeben.
Aber ich kämpfe weiter
und versuche die Teile,
die ich mühsam in mir
zusammensetze
auch zusammen zu halten.
Ich muß endlich lernen
meine Gedanken
und Gefühle nicht
zu zerstören,
durch Lügen und Bequemlichkeit.
Ich muß beharrlich bleiben
und den Kontakt
zu mir
ständig aufrecht erhalten.
Eine Hummel summt
ihr Lied
und bekrabbelt die lila Blütenkelche
vor mir.
Klitzekleine Tautropfen
glitzern
im Flaum der Blätter…
Ich atme tief ein,
ganz langsam,
und fühle
wie die Wurzeln
in mir
neuen Halt finden.
Die Vogelstimmen kommen näher.
(1985)