Ataraxia
- At Oktober 14, 2023
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I
Auf der fast unberührten Haut des Kanals brach sich das Licht an der Biegung des Ufers. Hier verkantete sich die Strömung und zeichnete der Haut winzige Falten. Augenblickspäter legten sich die zerbrochenen Sterne wieder zusammen. Dein Atem ging langsam, Schritte knirschten auf entblösstem Schnee. Am Fluss nebenan glättete das Wasser die Schrunden der Steine.
II
Der Blick auf das Licht der Tage und Nächte war zu oft verloren gegangen. Menschen trieben wie von fremder Hand geführt durch Strassen. Schaufenster erpressten mit schreienden Worten und übertriebenen Farben. Es gab alles, was man kaum benötigte. Lauter, schneller, bewegter waren vor allem die Tage, die Stille begehrten. Im Vergehen des Lichtes ersehnten sie in gewärmten Schweigeräumen den Blick durch dunkle Fensterkreuze hinaus in den ungebrochenen Schnee. Klanglos wolltest du durch deine Gedanken streunen, einzig den Geruch von Zimt auf vertrauter Haut und gehaucht das entflochtene Wort.
III
Das Jahr hatte seine letzten Tagesreisen angetreten, im Klang deiner Stimme lag die Freude auf brennende Kerzen und stille Besinnungen. Es war an der Zeit, den Verpflichtungen nicht nachzukommen und die Kräfte neu auszurichten. Du fülltest die Räume zwischen den Schattenstäben mit Licht und legtest Schnee in die Hautrillen draussen auf den kahlen Feldern. Gebrochene Äste klafften ins Blau, vergehend und doch unvergänglich in ihrem Stolz. Am geborgenen Fenster lagen Worte aus Zuneigung und Heimkehr. Es war an der Zeit, Türen zu schliessen, Lichter anzuzünden und wieder bei Dir zu sein.
© Hermann Josef Schmitz
Ohne Titel
- At Oktober 14, 2023
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ich lese die sätze nach
lege sie auf lichtes papier
verführe mich
entlang der silbenhäute
zu flügelgesponnenen netzen
nehme unbeschriebene herzschläge
in schlafwarme hände
den blick beharrlich
an der leuchtenden wimpernkurve
flackert das geschlossene lid
die gebrochene linie entlang
© Hermann Josef Schmitz
Versiegelt II
- At Oktober 14, 2023
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in den moment hören
wenn sich licht türkisfarben
im blätternden wasser bricht
am schattigen sandbogen
schrittworte hinterlegen
hautspiegeln treu sein
verborgen das leise verlegene lachen
kaum verändert dein pulsschlag
im flackernden auge
am salzlippenufer
dich finden und finden
und alles versiegeln
mit einem atemwort
einer salzfeder
einer umarmung aus wind
und alles versiegeln hinter dem blaugrünen meer
(c) Hermann Josef Schmitz
Schreiben
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ich reihe
buchstaben aneinander
und glätte sie
in der wärme
zu sätzen
(c) Hermann Josef Schmitz
Stiller Morgen
- At Oktober 14, 2023
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am ende
der sichelbraue
flackern wimpernflügel
in die stille
halbdunkel
atmet regen
am fenster
behütest du den herzschlag
im vergessen der stunde
(c) Hermann Josef Schmitz
An einem Tag
- At Oktober 14, 2023
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linienwege führten unaufhaltsam nach norden. sie kreuzten mit schienen, fluglinien und stromleitungen und blieben sich treu. es gab kein zurück und auch nichts forderte ein zurück. ausfahrten flogen vorbei und traurige schilder mit lachenden augen. hinter den lidern lagen aufgehäufte graue und weisse wolken, grosse blätter glänzten feucht im morgen. wenn der wind sie wendete, blieb silbernes grün und das zittern bis tief in die ergrauten leitplanken.
sie legten tränen und fragen auf deine hände. und das meer, aus dem der tag getrieben war, blieb gespalten. als wären schiffe vorbeigefahren mit breitem kiel, ohne unterlass und mit mächtigem blick.
du konntest das schweigen beherbergen als einen guten freund. es galt nichts gerade zu rücken, was endlich gerade gerückt war. es galt nichts zu bewahren, was anderen nicht gehörte.
als die tränen geweint waren und antworten dalagen wie ein unberührter morgen, brach ein lächeln aus ihren augen, das dich umarmte.
später begegneten dir menschen aus einer wiedergefundenen zeit. einzig ihre gesichter hatten sich verändert, es blieb ihr herzschlag, das funkeln ihrer augen, die warmen hände der umarmung. erinnerungen fluteten über die beschnittene welt.
als du gingst, hatten sich träume eingehaucht, unbemerkt zerbrachen die netze im meer, aus dem der tag getrieben war. ausfahrten flogen vorbei und deine haltung war klar, ehrlich und gewissenhaft. es ging einzig um dein leben. linienwege führten unaufhaltsam nach süden.
© Hermann Josef Schmitz
Montreux oder Die Vögel sind nicht freier als wir
- At Oktober 14, 2023
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licht verbrannte im nachmittag zu goldfäden. sie durchwirkten wasserflecken, die als schwimmende teppiche ankamen und wegtrieben. häuser wuchsen wie fremd in die hänge der überragenden berge. an den steinrändern ruhten unentwegt wolken. in ihren gefässen trugen sie den regen kommender tage, er reifte in der stille wechselnder lichtfarben. verlegen erröteten felsflecken zwischen dem grün hochwachsender wälder.
am ufer schwebten wasservögel durch die windstille luft, ihre flügel falteten die wärme des abends mühelos auseinander. sie schienen frei und ihre freiheit schien grenzenlos. einzig es blieb ihre freiheit und sie war nicht austauschbar mit den wünschen der menschen, zu abstrakt war der vergleich. die menschen hatten ein eigenes weites meer in sich, das ihnen alle möglichkeiten offen liess alle möglichkeiten zu leben.
aus wolkenschössen trieben im ankommenden abend lichtschienen. sie spiegelten sich in den saxophonen der musiker, die ihre klänge auf hörseiten schrieben, wild, zügellos, ungehemmt und dann wieder leise, zärtlich, fast schüchtern. schritte veränderten die bewegung zum klang der musik, leise formten sich lippen im takt. in der ferne verbrannte die stille im blau, in den häfen hatten sie die segelschiffe abgeerntet. der blick in die weite war erbarmungslos frei.
© Hermann Josef Schmitz
Schloss Landshut
- At Oktober 14, 2023
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am ende des tages durchbrach die sonne schichten aus grauen wolken und entwarf sich in langen streifen auf sattem gras. blüten scheuten das späte erwachen, bäume hingegen verbeugten sich vor der stunde. im aufgeschichteten grün der baumschösse schauderten regentropfen vergangener zeit. schattengitter vergingen, wenn wir uns bewegten und kamen und vergingen. brücken mit geschwungenen flügeln lagen als transparent auf dem wasser, dunkel und zärtlich der spiegel ihrer bewegungen. unsere schrittlängen glichen sich an, wir brauchten keine hände, um den weg gemeinsam zu kennen. manchmal fielen worte und augen entzündeten sich vor glück. im rosennest lagen blüten, pergamentdünn und verblühend in ihrer ganzen schönheit. die feuchte luft ungebundener stunde trug ihren reifen duft in das verlangen einer entführten nacht.
© Hermann Josef Schmitz
blüten
- At Oktober 14, 2023
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regentropfenkolonnen
bevölkern frauenmäntel
im nachbarblatthaus
werden sich schatten öffnen
blüten versetzten sternen
gleich erwachen
© Hermann Josef Schmitz
Mitten im Sommer
- At Oktober 14, 2023
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Mitten im Sommer
I
strassen schienen nicht zu enden. an ihren pochenden rändern entlang wechselten bäume und felder, zwischen den klängen verebbten die gedanken hin und wieder. dann schautest du in die ferne. alles schien weiter zu sein, überschaubarer. stoisch schauten die blauen augen der bergkämme ins gehende licht. flaggen läuteten im wind, finger strichen gegen den bogen aus haar. du wusstest nicht, wie dein leben weitergehen würde. aber du wusstest, dass es weitergehen würde.
II
der vorbeieilende fluss trug die narben von windsplittern auf der haut. seit tagen schnitten sie die felder blank, still lagen garben aus sonnengebranntem licht im vergehen. schattenloses vergehen wechselte mit verblichenen graswunden. an den schienen aus wasser reiften brombeeren langsam ins dunkel. du träumtest von ihrem geschmack, verfeinert auf frisch gebackenem brot. seit tagen schnitten sie mit ihren lauten maschinen kerben in deine stille, bis spät in die nacht belagerten sie die winddunkle ruhe.
III
langsam wehte der sommer durch die verwinkelten strassen. frauen trugen selbstbewusstsein auf ihren lippen. sie dankten dem tag durch ihr sein. mitten im geschäftigen treiben der händler konntest du alles vergessen in einem gespräch. dann verströmte sich das lachen wie ein ungebändigter fluss zwischen den worten, entspannte die augen, die sich an den tag gewöhnten, befreit von bildschirmen und zahlengetriebenen statistiken. dann verströmten sich sonnenhände, streichelten die haut, dem sommer zugewandt, befreit von stoff und geschichten. am abend leuchteten die bäume in der ferne blau.
© Hermann Josef Schmitz