Milchzähne und Krokodile
- At Oktober 14, 2023
- By jean-maurice
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Wenn ich aus meinem Zimmer schaue
hinweg über den Stadtpark
und die vielen Bäume und Äste
sehe ich in der Ferne die Autobahn.
Manchmal liege ich tief in der Nacht
mit offenen Augen auf meinem Bett
und starre ins Dunkel
während ein paar Schritte weiter
Lastwagenfahrer am Lenkrad einschlafen
in jeder beliebigen Großstadt
mindestens ein Dutzend besoffener Arbeitsloser
aus den Kneipen taumelt.
Dort draußen
entledigen sich Jugendliche
um jene Uhrzeiten
hin und wieder
gegenseitig ihrer Zähne
die kleinen Beißerchen fliegen
dann in hohen Bögen durch die Lüfte
und Stunden später betrachten
die Jungs dann durch die Gitterstäbe
hindurch ein beliebiges Büro auf der
gegenüberliegenden Straßenseite.
Hin und wieder parkt einer sein Auto davor
rennt hastig die Wendeltreppen hinauf
um rechtzeitig im Büro anzukommen.
Und sonst wo zieht ein beliebiger
Buchhalter den Strich unter die Jahresbilanz
rückt sich die Krawatte zurecht
und betrachtet sich
mit trauriger Miene
im Spiegel.
Er beschließt
ein letztes Mal seine Frau anzurufen
die aber wiederum geht nicht ans Telefon
weil sie gegenwärtig mit dem Briefträger beschäftigt ist
Das gibt dem Buchhalter den Rest
auch wenn er es nur ahnt
und er geht auf seinen
wackeligen Beinen
eine Runde durch den Park.
Ein Jogger kreuzt seinen Weg
ringt nach Luft.
Der letzte Milchzahn
knallt auf den verregneten
kalten Asphalt
und der Regen spült ihn
durch einen verrosteten Abfluss
hinab in die Kanalisation
wo ihn eines dieser
beschissenen Krokodile findet
und wie sein eigenes Junge großzieht.
Dieser Zahn wird seiner Art fremd sein
womöglich wird er mutieren
oder zumindest in Zeiten der Pubertät
sonderbare Wesenszüge annehmen.
Der Tarzan unter den Zähnen
denkt sich der Buchhalter.
Er nickt dem Jogger zu
wünscht den Jugendlichen
alles erdenklich Gute
für die Zukunft
und bläst sich hinter einem
hohen Strauch den Schädel weg.
Die Vögel werden durch den Knall
kurz aufschrecken und sich ebenso
schnell wieder beruhigen
ihr Puls wird sich normalisieren
und die Sanduhr eines weiteren
Menschen ablaufen
ohne dass es irgendeine Sau kümmern
würde.
Mich ereilen Übelkeit und Kopfschmerzen
Schwindel und Angst
wenn ich dem Leben zu nahe trete.
Je mehr man mir abverlangt
desto weniger fühle ich mich
mit diesem Kreislauf des Seins verbunden
und ich wünsche mir einen Glauben
der auch bei näherer Betrachtung
noch glaubhaft wirkt und für die
Dauer meiner Lebensspanne Trost spendet.
In der vordersten Reihe
hat Jeff seinen Schreibtisch stehen.
Jeff wartet seit zwei Jahrzehnten
auf seine Beförderung
hat jedoch trotz seines
guten Drahtes in Richtung Chefetage
den er über Jahre hinweg mühselig
durch Schleimerei bei den leitenden
Angestellten gelegt hat
bisweilen kein grünes Licht erhalten.
Hinter Jeff sitzt Maria
eine heruntergekommene
fette Wachtel
deren einzige Aufgabe in dieser
Firma zu sein scheint
sich nahezu pausenlos mit Snacks
aus dem Automaten voll zu stopfen.