Mordlust
- At Mai 23, 2011
- von oska
- In Gedichte
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1.
Sie hatte es verdient.
So wie sie ihn verspottet hatte.
Hochnäsig. Gehässig.
Lara lachte nur, als er wütend wurde.
Es amüsierte sie, als er die Hände nach ihrem Hals ausstreckte.
Ihr Lachen wurde noch lauter, noch schriller.
Adi erwachte schweißgebadet und völlig erschöpft.
Er tastete nach seinem Wecker und schaltete den Alarm aus.
Seine schrillen Weckschreie verstummten.
2.
Am Anfang hatte Adi viel Zärtlichkeit für Lara.
Er nahm die Zärtlichkeit mit in den Schlaf.
Die Zärtlichkeit bestimmte seine Träume.
Ein Rest dieser Zärtlichkeit blieb noch nach dem Wecken übrig.
Er brachte diese Zärtlichkeit in Tagträume ein.
Führte sie in realen Handlungen fort.
Adi begann, Lara’s Gewohnheiten zu studieren, ihren Tagesablauf zu erkunden.
Manchmal folgte er ihr in sicherem Abstand.
Noch fehlte ihm der Mut sie anzusprechen.
3.
Irgendwann entglitten die Träume.
Die mitgenommene Zärtlichkeit reichte nicht mehr für eine ganze Nacht.
Immer öfter endeten die Träume in schlimmen Szenen.
Statt eines Restes an Zärtlichkeit nahm er Wut mit in die Tagträume.
Adi erforschte weiter ihren Tagesablauf, jetzt aber mit anderem Ziel.
Zunächst unbewusst, dann wurde es ihm klar.
Er suchte nach einer Gelegenheit, Gerechtigkeit walten zu lassen.
Lara zukommen zu lassen, was sie verdient hatte.
Sie zu bestrafen für ihre Bösartigkeit, ihren Hohn, ihren Spott.
Seine Lust auf Zärtlichkeit ging über in Mordlust.
4.
Der Tag der Gerechtigkeit war gekommen.
Adi wusste das gleich nach dem Aufwachen.
Zu schlimmes Übel war ihm im Traum widerfahren.
Schon wach sah er noch immer ihren spöttischen Blick.
Hörte ihren Hohn und ihr schrilles Lachen.
Es war höchste Zeit, dem Übel ein Ende zu bereiten.
Er wusste, welchen Weg sie heute gehen würde.
An einer geeigneten Stelle bezog er Posten.
Lara kam auch, aber nicht aus der erwarteten Richtung.
Sie stand plötzlich hinter ihm.
Er spürte etwas, drehte sich um und erschrak.
Er fühlte sich plötzlich wie in Eis gehüllt.
5.
Lara stand da und lächelte ihn aufmunternd an.
„Hi!“
Welch schöne, sanfte, wohlklingende Stimme sie hatte.
„Ich habe dich schon oft gesehen, wohnst du hier?“
Adi nickte verwirrt, ohne einen Ton über die Lippen zu bringen.
„Wir könnten uns doch ab und zu treffen!“
Er nickte wieder zögernd.
„Ich gehe Eis essen, kommst du mit?“
Er fühlte, wie seine Haut sich kräuselte.
Schüchtern näherte er seinen Blick ihren Augen.
Sie strahlte ihn aufmunternd, geradezu liebevoll an.
„Ich glaube, du könntest mir gefallen!“
Adi spürte, wie er errötete, wie ihm abwechselnd heiß und kalt wurde.
Seine zur Gerechtigkeit bereiten Arme und Hände wurden schlaff.
Er versuchte, etwas zu sagen.
Es gelang ihm nicht.
Die Angst, nur sinnloses Gestammel heraus zu bringen, lähmte ihn.
Hilflos hob Adi die Schultern, ließ sie wieder sinken, drehte sich um und flüchtete mit hochrotem Kopf.
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